Zirkulierende Tumorzellen helfen der Diagnostik für eine maßgeschneiderte Therapie im Kampf gegen Krebs
Das BMBF-geförderte Projekt CTCelect erzielt bedeutende Fortschritte für die Untersuchung vereinzelter zirkulierender Tumorzellen (CTCs). In einem integrierten Ansatz unter Einbeziehung von Anwenderbefragungen sowie ethischer und rechtlicher Aspekte entwickelte und erprobte das Konsortium in den letzten vier Jahren ein System zur CTC Isolation, das für den Anwender robust und einfach zu bedienen ist und auf der patientenschonenden Entnahme einer Blutprobe beruht. Mit Hilfe des an Realproben validierten Entwicklungsstands des offenen und damit flexibel einsetzbaren CTCelect Systems werden umfangreiche neue Ergebnisse in der medizinischen Forschung ermöglicht.
In der Krebsforschung werden im Blut der Patientinnen und Patienten zirkulierende Tumorzellen (englisch „Circulating Tumor Cells“, CTCs) als wichtige Informationsquelle über den Krankheitsfortschritt und mögliche Therapieansätze gesehen. Im Mittelpunkt des vom BMBF geförderten Projektes CTCelect standen von der technischen Seite das Auffinden, Isolieren und Vereinzeln dieser sehr seltenen CTCs in einem einzigen vollautomatisierten Prozess. Sind die Zellen nach der vollautomatischen Vereinzelung intakt, so können ihre genetischen und molekularbiologischen Eigenschaften untersucht werden und Rückschlüsse gezogen werden, wie einzelne Tumorzellen auf eine Behandlung reagieren. Damit ergeben sich vielfältige Anwendungsmöglichkeiten im Bereich der Grundlangenforschung, Diagnostik und Therapieoptimierung. Notwendig hierfür: lediglich eine 7,5 ml Vollblutprobe der Patientinnen und Patienten.
„Das Entwicklerteam um Projektleiterin Dr. Sabine Alebrand hat hervorragende Arbeit geleistet, um aus einem in Vorprojekten entstandenen ersten Prototypen einen robusten und benutzerfreundlichen Demonstrator zu realisieren, der in der Forschung zur personalisierten Krebstherapie wertvolle Optionen eröffnet“, sagt Dr. Michael Baßler, Bereichsleiter Diagnostik am Fraunhofer IMM und Konsortialleiter des CTCelect Projekts. „An präklinischen Modellen konnten wir zuverlässig morphologisch intakte Zellen isolieren.“
Allerdings entscheidet sich nicht nur an den technischen und medizinischen Aspekten, ob Patientinnen und Patienten vom CTCelect-System profitieren können, sondern ebenso an ethischen Aspekten, den Nutzeranforderungen sowie wirtschaftlichen Fragen. Diese Perspektive brachten die Expertinnen des Fraunhofer ISI ein. "Wir haben von den künftigen Anwenderinnen und Anwendern gelernt, dass sich die Ausgestaltung des Systems grundlegend unterscheiden muss, je nachdem ob es im Forschungskontext oder in der Routineversorgung eingesetzt werden soll" berichtet Dr. Heike Aichinger, Projektleiterin am Fraunhofer ISI. "Für eine kommerzielle Produktentwicklung muss also rechtzeitig die Zielgruppe ins Auge gefasst und deren Bedarfe bei der technischen Entwicklung umgesetzt werden."
Die wahre Überprüfung der Funktionalität erfolgt aber, wenn das System beim Anwender, in diesem Fall dem Institut für Translational Skin Cancer Research (TSCR) am Universitätsklinikum Essen, mit Realproben betrieben wird. Die ersten Ergebnisse zur Anreicherung und anschließenden Analyse von zirkulierenden Tumorzellen zum Ende des Projektes sind vielversprechend. „Die offene Plattform des CTCelect-Systems erlaubte uns nicht nur klassische Marker zur Anreicherung von zirkulierenden Tumorzellen einzusetzen, sondern auch Zellen zu isolieren, die diese Marker verloren haben“ erläutert Prof. Dr. Dr. Jürgen C. Becker, Leiter des TSCR, einer Abteilung des Deutschen Krebskonsortiums (DKTK) an der Medizinischen Fakultät der Universität Duisburg-Essen. „Die nachfolgenden molekularen Analysen der einzelnen Zellen bestätigten eindeutig, dass es sich wirklich um Tumorzellen handelte. Diese Analysen ermöglichen ganz neue Einsichten in die Heterogenität von Tumoren und erklären damit das oft nur schwer vorhersagbare Ansprechen bzw. Versagen von Therapien.“ Weitere Untersuchungen werden diesen Fragen intensiv nachgehen.
„Aktuell adressieren wir mit dieser Entwicklung vorranging noch den Forschungsmarkt, um die nötige Validität der Ergebnisse nachzuweisen“, so Baßler. „Perspektivisch ist der zusätzliche direkte Einsatz in der Diagnostik aber ohne radikale Veränderungen am System möglich und natürlich angedacht.“ Auf der Agenda für die kommenden Monate steht die Validierung mit weiteren Tumorentitäten, um anschließend mit geeignetem Partner in umfangreichere medizinische Studien einsteigen zu können. „Dafür sind jedoch sowohl die Ausrichtung auf größeren Durchsatz als auch die Parallelisierung wichtige Meilensteine. Diese Entwicklungsschritte möchten wir sehr gerne mit interessierten Partnern aus der Industrie gemeinsam gehen“, betont Baßler abschließend.