Mit Sonnenlicht zur gewünschten Reaktion

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Noch immer basiert die Herstellung von chemischen Erzeugnissen zum größten Teil auf dem Einsatz von Rührkesseln. Dieser großindustrielle, letztlich nicht auf Ressourcenschonung ausgelegte Ansatz, limitiert aber das realisierbare Produktspektrum. Grüne Chemie heißt in diesem Zusammenhang das Zauberwort. Die Nutzung von Licht als aktivierende Energieform kann den klassischen thermischen Weg durch eine photochemische Route ergänzen. Dies eröffnet die Bereitstellung einer Vielzahl von komplexen chemischen Verbindungen. Im Rahmen der nachhaltigen Prinzipien der Grünen Chemie implementiert das Fraunhofer ICT-IMM die Photochemie als wichtigen Synthesezweig für zukünftige Industrieanwendungen.

Die herkömmliche Herstellung von chemischen Erzeugnissen in großen Mengen verursacht auch große Mengen an Abfallstoffen bzw. Nebenprodukten. Außerdem basieren viele Rohstoffe der chemischen Industrie auf Erdöl, was keine erneuerbare Ressource darstellt. Der Ansatz der grünen Chemie ist es, Umweltverschmutzung einzudämmen, Energie zu sparen und umweltverträglich zu produzieren. Welche Alternativen zu bisherigen Methoden stehen also zur Verfügung oder können entwickelt werden?

Unter Photochemie versteht man chemische Reaktionen, die durch Einwirkung von Licht initiiert werden. Diese finden meist bei Zimmertemperatur und normalem Druck statt. Unter solch nachhaltigen und umweltfreundlichen Bedingungen werden Reagenzien und Nachfolgeprodukte erzielt, die unter Wärmebehandlung selten erreichbar sind. Die Photochemie stellt also eine gute Alternative dar, um Synthesereaktionen nicht-thermisch herbeizuführen.

Bisher ist es quasi unmöglich photochemische Reaktionen im großen Industriemaßstab zu erreichen. Einen konventionellen „Kessel“ mit Reaktionslösung kann man schlichtweg nicht so gleichmäßig durchstrahlen, dass ein vernünftig steuerbarer Prozess herauskommt. Deshalb hat das ICT-IMM seine Mikroreaktortechnologie auf den Plan gebracht, mit der man die Lösung auf ihrem Weg durch den Reaktor in einer dünnen Schicht einmal komplett durchstrahlen kann. Zudem kann man durch die zeitlich definierte Aufenthaltsdauer die Bildung von Nebenprodukten besser unter Kontrolle bringen.

Die Wissenschaftler des ICT-IMM sehen ihre Aufgabe darin, die akademische Forschung für die Industrie zu übersetzen und sie anwendbar zu machen. „Momentan arbeiten wir am Up-scaling unserer bisherigen Methoden“, erklärt Dr. Thomas Rehm. Die Wissenschaftler konnten zeigen, dass die Herstellung von Singulett-Sauerstoff mit ihrem Fallfilmreaktor erfolgreich war. Singulett-Sauerstoff spielt eine Rolle bei der Herstellung aktiver pharmazeutischer Inhaltsstoffe, die wie z.B. Artemisinin bei der Behandlung von Infektionskrankheiten eingesetzt werden. Nun sollen größere Reaktoren mit dementsprechend größeren Fenstern getestet werden. Somit ergibt sich auch eine größere Fläche zum Bestrahlen mit Licht, das aktuell noch künstlichen Ursprungs ist, im Sinne der Nachhaltigkeit in letzter Konsequenz aber natürlich idealerweise Sonnenlicht sein soll.

Das langfristige Ziel beinhaltet natürlich wie immer die Möglichkeit der Kostenersparnis. Logisch, wenn keine teuren Reagenzien eingesetzt werden müssen, die Arbeit unter Normalbedingungen stattfinden kann und dementsprechend keine erhöhten Sicherheitsvorschriften gelten. Ein angestrebter Nutzer ist die pharmazeutische Industrie. Hier denken die Forscher zum Beispiel an die photochemische Synthese fluorierter Verbindungen. Deren Spektrum reicht von der Senkung des Cholesterinspiegels über die Anwendung als Schlaf- und Beruhigungsmittel bis hin zu aktuell eingesetzten Antibiotika. Auch Silber-Nanopartikel konnten bereits erfolgreich photochemisch hergestellt werden. Sie können wegen ihrer bakteriziden Eigenschaften ebenfalls in der Medizin eingesetzt werden.